Arbeitsrecht ist einer der Schwerpunkte unserer Arbeit.
Die nachfolgend wiedergegebene Entscheidung kann unter der Entscheidungsdatenbank des Bundesarbeitsgerichts abgerufen werden.
1. Auf die Revision desKlägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom12. Dezember 2007 - 1 Sa 105/07 - aufgehoben.
2. Auf die Berufung desKlägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Saarlouis vom 31. Mai 2007- 2 Ca 456/06 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dassdas Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung derBeklagten vom 2. Mai 2006 nicht beendet worden ist.
3. Die Beklagte hat dieKosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eineraußerordentlichen Kündigung.
Der Kläger war als einer von mehreren Fahrern bei derBeklagten und ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 1. März 1980 in derNiederlassung L als LKW-Fahrer beschäftigt
In dieser Niederlassung sollten ab Anfang 2006 nur nochdrei statt bisher vier Lastkraftwagen eingesetzt werden. Die Beklagte trat anden Kläger wegen der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter amStandort E oder als LKW-Fahrer bei der Firma B Transportgesellschaft mbH (künftig:Firma B) heran. Der Kläger unterzeichnete daraufhin einen Arbeitsvertragmit der Firma B und nahm dort die Arbeit am 2. Mai 2006 auf. Einen ihmEnde April 2006 von der Beklagten vorgelegten Aufhebungsvertrag unterzeichneteer - auch nach wiederholter Aufforderung - nicht.
Mit Schreiben vom 2. Mai 2006 kündigte die Beklagtedas Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich.
Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und beantragt
festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit derBeklagten durch die außerordentliche Kündigung vom 2. Mai 2006 nichtbeendet worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hatdie Auffassung vertreten, die Kündigung zur Beendigung eines sinnentleertenArbeitsverhältnisses sei gerechtfertigt. Aufgrund der Aufnahme der Tätigkeitbei der Firma B sei der Kläger nicht mehr in der Lage gewesen,Arbeitsleistungen für sie zu erbringen. Da er sich geweigert habe, einenAufhebungsvertrag zu unterzeichnen, sei ihr nur die Möglichkeit der einseitigenBeendigung des Arbeitsverhältnisses geblieben. Zudem habe der Kläger seinen Abkehrwillen eindeutig kundgetan. Sie habe ihn deshalb nicht auffordern müssen,seine Arbeitspflichten und zu erfüllen.
Am 21. Juni 2006 ist über das Vermögen des Klägers dasInsolvenzverfahren eröffnet und ein Treuhänder bestellt worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. DasLandesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vomBundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinenKlageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Die zulässige Feststellungsklage des Klägers ist begründet. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 2. Mai 2006 ist rechtsunwirksam.
I. Der Senat war nicht an einer Sachentscheidunggehindert. Der Kündigungsrechtsstreit ist durch die am 21. Juni 2006erfolgte Eröffnung des vereinfachten Verbraucherinsolvenzverfahrens über dasVermögen des Klägers nicht nach § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen. Erbetrifft nicht die Insolvenzmasse, sondern einen höchstpersönlichen Anspruchdes Klägers (Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 240 Rn. 8;KPB/Holzer InsO Stand Juli 2007 § 35 Rn. 77; Uhlenbruck InsO12. Aufl. § 35 Rn. 22; Zwanziger Das Arbeitsrecht derInsolvenzordnung 3. Aufl. § 185 InsO Rn. 68; Reinfelder NZA2009, 124, 127; Mohn NZA-RR 2008, 617, 622).
II. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorliegen eineswichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB zu Unrecht bejaht.
1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann dasArbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfristgekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigendenunter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der Abwägung derInteressen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses biszum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die erforderlicheÜberprüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesemSinne darstellt, vollzieht sich zweistufig. Im Rahmen von § 626Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne diebesonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sichgeeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiterenPrüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Kündigenden unterBerücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und der Abwägung derInteressen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (st. Rspr. Senat27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 19, BAGE 118,104; 7. Juli 2005 - 2 AZR 581/04 - Rn. 21,BAGE 115, 195).
2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichtsstellt die Weigerung des Klägers, eine Auflösungsvereinbarung mit der Beklagtenabzuschließen, keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar.
Ein solcher Grund liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmerrechtswidrig und schuldhaft seine vertraglichen Pflichten erheblich verletzthat. Das ist hier nicht der Fall. Zwar verpflichtet § 241 Abs. 2 BGBjeden Vertragspartner zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessendes anderen Teils. Zu den Pflichten des Arbeitnehmers gehört es deshalb, aufdie - geschäftlichen - Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zunehmen und sie in zumutbarem Umfang zu wahren. Daraus folgt jedoch keinePflicht entgegen dem eigenen Willen an der Beendigung des eigenen Arbeitsverhältnissesmitzuwirken.
3. Die außerordentliche Kündigung ist auch nicht wegendes Eingehens eines neuen Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt.
a) Durch den Abschluss eines Arbeitsvertrags mit einemweiteren Arbeitgeber verletzt der Arbeitnehmer keine vertraglichen Pflichten imschon bestehenden Arbeitsverhältnis. Dies wird ua. durch die Wertungen in§ 12 Satz 1 KSchG deutlich. Grundsätzlich können mehrereArbeitsverhältnisse nebeneinander bestehen. Erst wenn es aufgrund dessen zuLeistungsstörungen im alten Arbeitsverhältnis kommt, können darausKündigungsgründe erwachsen.
b) Einen solchen Sachverhalt hat die Beklagte nichtvorgetragen. Zwar hat der Kläger seit Mai 2006 ausschließlich für die Firma Bgearbeitet. Dies durfte die Beklagte aber am 2. Mai 2006 nicht zum Anlassfür eine außerordentliche Kündigung nehmen. Angesichts ihres eigenen Bemühensum die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und dieserFirma ist schon fraglich, ob sie nicht konkludent auf eine Leistungserbringungdurch den Kläger - zumindest zeitweilig - verzichtet hat. Selbst wenndies nicht der Fall sein sollte, hätte sie den Kläger vor einer Kündigung zurAufnahme der Arbeit auffordern und ihn unter Androhung einer Kündigung abmahnenmüssen. Dies folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der gesetzlichenRegelung in § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB. An einer solchenAufforderung der Beklagten fehlt es. Sie war auch nicht nach § 314Abs. 2 Satz 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB entbehrlich. Der Klägerhatte seine Arbeitsleistung bei der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung nichternsthaft und endgültig verweigert. Vielmehr spricht seine Weigerung, in einenAufhebungsvertrag einzuwilligen, für das Gegenteil.
4. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat sich derKläger auch nicht „rechtsmissbräuchlich“ verhalten. Es wäre Sache der Beklagtenselbst gewesen, ihre Gläubigerrechte wahrzunehmen und die unklare Situationdurch Zuweisung eines Arbeitsplatzes und eine Aufforderung zurVertragserfüllung zu beenden.
III. Die Kündigung vom 2. Mai 2006 ist auch nichtals ordentliche Kündigung wirksam. Gründe im Verhalten des Klägers, die eineKündigung iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG rechtfertigen könnten,liegen nicht vor. Insbesondere fehlt es an einer Vertragspflichtverletzung.Sonstige Gründe hat die Beklagte nicht vorgetragen.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Kreft Schmitz-Scholemann Eylert Frey H.Grimberg